Was wollen Sie lesen? Entscheiden Sie sich für eines unserer Themen.


Eine Frau geht ihren Weg

Weltläufigkeit war Ita Wegman schon in die Wiege gelegt: 1876 erblickte sie auf der Insel Java das Licht der Welt. Dieses Bild zeigt sie im Alter von 40 Jahren vor ihrem Wohnhaus, dem heutigen Ita Wegman Institut in Arlesheim (Schweiz).
Foto: Historisches Firmenarchiv der WALA Heilmittel GmbH

Ita Wegmans Vater war als Kolonialbeamter Leiter einer Zuckerfabrik, was der Familie zu einem gewissen Wohlstand verhalf. Als ausgezeichnete Schülerin erhielt sie deshalb Privatunterricht und wurde auf eine weiterführende Schule in die heimatlichen Niederlande geschickt. So war Ita Wegman schon in jungen Jahren eine Pendlerin zwischen den Welten. Auf einer ihrer Reisen zwischen Schule und Elternhaus lernte sie einen jungen Offizier kennen, mit dem sie sich bald darauf verlobte. Doch das junge Glück währte nicht lang, noch vor der Hochzeit erlag ihr Verlobter einem Lungenleiden. Dieser Schicksalsschlag löste in Ita Wegman eine Suche nach geistiger Verinnerlichung aus und sie begann, sich mit Theosophie zu beschäftigen.

Pionierin der Medizin

1899 kehrte die Familie Wegman zurück in die Niederlande, wo Ita eine Ausbildung in Heilgymnastik und Massage absolvierte. In Berlin traf sie 1902 erstmals auf Rudolf Steiner. Ita Wegman entschied sich dafür, Anthroposophin zu werden, und auf Steiners Rat hin begann sie ein Medizinstudium. Damit war sie eine Pionierin, denn zu der Zeit stand Frauen der Weg an die Hochschulen bei Weitem noch nicht überall offen. Vorreiter war hier die Schweiz, und so immatrikulierte sich Ita Wegman 1906 in Zürich. Sie beendete ihr Studium erfolgreich – und erwarb außerdem einen Abschluss als Fachärztin für Frauenheilkunde. Ihre erste eigene Praxis eröffnete sie in Zürich. Durch die räumliche Nähe zu Dornach, dem neuen Zentrum der Anthroposophie, war es ihr nun zudem möglich, regelmäßig Vorträge von Rudolf Steiner zu besuchen.

Im Zentrum der Anthroposophischen Medizin

Die couragierte Ärztin eröffnete 1921 das „Klinisch-Therapeutische Institut“ (heute „Klinik Arlesheim“), wo sich unter ihrer ärztlichen Leitung und Steiners Begleitung die anthroposophische Medizin entwickelte. Hier wurden neue Heilwege und Heilmittel erarbeitet, Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte wurden in den neuen Methoden geschult und es wurde vielfältige Grundlagenforschung betrieben. Unter den zahlreichen Mitwirkenden in Arlesheim befanden sich auch die Ärztin Margarethe Stavenhagen, die seit 1927 mit Wegman in Arlesheim zusammenarbeitete, sowie der Chemiker Rudolf Hauschka, der 1929 zum Team gestoßen war.

Ita Wegman im Alter von 52 Jahren 1928 in Breslau. Sieben Jahre zuvor eröffnete sie das „Klinisch-Therapeutische Institut“ (heute „Klinik Arlesheim“).
Foto: Historisches Firmenarchiv der WALA Heilmittel GmbH

Ita Wegman und die WALA

Von seiner Institutsleiterin Wegman bekam Hauschka damals den Auftrag, sich dem Anliegen Rudolfs Steiners zu widmen und einen Weg zur Haltbarmachung von Pflanzenextrakten ohne Alkohol zu suchen. Aus ebendieser Arbeit entstanden zunächst erste Präparate und schließlich 1935 die Firma WALA, doch schon 1921 war Ita Wegman maßgeblich an der Gründung der „Internationalen Laboratorien“ (heute Weleda) beteiligt. Als therapeutische Einrichtung gründete Wegman in Arlesheim außerdem ein Heim für Kinder mit Behinderungen. Nach Anregungen Rudolf Steiners entstand daraus ab 1924 die heilpädagogische Bewegung, aus der bis zum Zweiten Weltkrieg über 20 weitere Heimgründungen auf der ganzen Welt hervorgingen.

Ein weitreichendes Lebenswerk

In den letzten Lebensjahren Rudolf Steiners wurde Ita Wegman zu seiner engsten Mitarbeiterin – und schließlich wurde sie auch in den Gründungsvorstand der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft (AAG) berufen. Gemeinsam leiteten sie die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft und veröffentlichten das Grundlagenwerk „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen“.

Nach Steiners Tod 1925 brachen jedoch Konflikte unter den Vorstandsmitgliedern der AAG auf, die 1935 zum Ausschluss Wegmans aus der AAG führten. Erst 1948 wurde sie, fünf Jahre nach ihrem Tod, rehabilitiert.

Ungeachtet der zwischenmenschlichen und sachlichen Querelen praktizierte und lehrte Ita Wegman weiter und förderte die anthroposophische Medizin, Pharmazie und Heilpädagogik nach Kräften. Als sie 1943 während eines Arbeitsbesuchs in Arlesheim verstarb, hinterließ sie ein weitreichendes Lebenswerk. Ihre Arbeit und ihr Einfluss sind auch heute noch lebendig in den zahlreichen medizinischen und heilpädagogischen Einrichtungen und Vereinigungen weltweit, die auf sie zurückgehen – und natürlich in den pharmazeutischen Unternehmen, die heute noch auf Ita Wegmans Grundlagen arbeiten.